Prälatur Heilbronn

Wo Karina endlich Ruhe findet

BACKNANG/WINNENDEN – Der Backnanger Verein „Zukunftswerkstatt Rückenwind“ hilft Menschen mit Handicap – auch Karina, die aus der Ukraine flüchten musste.

Zwei Frauen mit dunklen Haaren stehen nebeneinander und blicken in die Kamera. Heilbronn
epd-bild/Uta Rohrmann
Irina (links) und Oxana in den Räumen der „Zukunftswerkstatt Rückenwind“ in Backnang.

Acht Tage und acht Nächte saßen die Menschen im Keller, bangten um ihr Leben und hofften, dass der Spuk, der am 24. Februar 2022 mit dem russischen Überfall auf die Ukraine begonnen hatte, bald vorbei sein würde. Sie hörten die Schüsse, die auf die Fabrik in Dymer abgefeuert wurden, einer Siedlung im Großraum Kiew. Kein Strom, keine Informationen – das machte allen Angst.

Ich habe mein Kind nicht wiedererkannt

sagt Oxana

Bei Karina war es mehr als Angst. Als sie sich nach oben wagten, sahen sie die zersplitterten Fensterscheiben ihrer Wohnung. Die Familie zog zu Oxanas Eltern. Am 6. März 2022 folgte der nächste Schlag, der Karinas Welt aus den Fugen hob. Dima, Oxanas Bruder und Karinas geliebter Patenonkel, wurde von russischen Soldaten erschossen. Die 17-jährige Pharmaziestudentin konnte sich an nichts mehr erinnern, war wie weggetreten.

Flucht nach Kiew

In der Psychiatrie in Kiew, wohin die Familie evakuiert werden konnte, wurden die Befürchtungen von Oxana und ihrem Mann Sergej bestätigt: Karina hat eine schwere psychische Erkrankung, die auf Schizophrenie und eine bipolare Störung hindeutet. „Immer wieder erreichten Drohnen die Stadtmitte. Die Ärzte empfahlen uns, Karina aus dem Kriegsgebiet zu bringen. Dass ein fremder Soldat, der an der Front kämpfte, uns für die sechsstündige Fahrt in die Westukraine sein vollgetanktes Auto zur Verfügung stellte, war ein Wunder“, erzählt Oxana. Nach fünf Monaten in der Kinderpsychiatrie war Karina einigermaßen stabilisiert, die Familie kehrte nach Dymer zurück.

Hilfe aus Backnang

Häufig wiederkehrender Alarm, Stromausfälle, Ausgangssperren und Beschüsse machen Karina große Angst. Den Eltern wird klar, dass sie ihre Tochter wegbringen müssen. Da erreicht Oxana eine Nachricht von Irina, einer Geschäftspartnerin ihres Mannes. Diese war im Mai 2022 der Hölle von Butscha entronnen und lebt jetzt in Backnang. Irina ermutigte sie zur Ausreise und sicherte ihr Unterstützung zu. Oxana musste ihren Mann zurücklassen und machte sich Anfang Januar 2024 auf die 42-stündige Busfahrt nach Backnang.

Dort leitet Jana Reichert das Projekt „In2life“ im Backnanger Verein „Zukunftswerkstatt Rückenwind“. Sie kümmert sich um geflüchtete Familien, die einen Angehörigen mit Handicap zu versorgen haben, organisiert Hilfe, die von offiziellen Stellen nicht abgedeckt wird. Irina erzählt ihr von Oxana und Karina.

In Zusammenarbeit mit der Stadt Backnang gelingt es, bürokratische Wege abzukürzen. Eine Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft sei angesichts von Karinas Zustand nicht möglich gewesen, so die junge Psychologin. Dass die beiden Neuankömmlinge mit Irina eine Wohnung beziehen können, ist ein Glücksfall. Mit einem Behandlungsschein für Notfälle wird Karina in der Psychiatrie Winnenden aufgenommen. Oxana ist sehr dankbar für die Ruhe und Sicherheit in diesem Land und hat Vertrauen in die deutschen Ärzte:

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